It’s Not Pie!: Für einen geschlechtergerechten Verband
„Gender Equality ist kein Kuchen: Mehr Rechte für mich bedeuten nicht weniger Rechte für dich.“ Wir Jusos in Baden-Württemberg haben aktuell einen Frauen*anteil von knapp 30%. Der Bundesverband liegt etwas höher. In unseren Vorständen und Delegationen gilt schon längst eine Quotierung von 50% (bzw. annähernd 50, falls eine ungerade Anzahl an Posten vorhanden ist). Wir machen feministische Politik: Das Wahlrecht für Frauen*, Artikel 3 des Grundgesetzes und die Frauen*quote sind einige unserer größten Erfolge.
Trotzdem hat die SPD oft noch das Image einer „Altherrenpartei“, unsere Quoten können wir nicht immer erfüllen und auf Landesverbandsveranstaltungen sind Männer* noch deutlich in der Überzahl. Dies soll aber keinen Anlass geben, den Anspruch aufzugeben, die gesamte Gesellschaft widerzuspiegeln. Im Gegenteil: Wir müssen uns das Ziel setzen, in unserem Verband echte Geschlechtergerechtigkeit – Gender Equality – herzustellen! Wir brauchen junge Frauen* und LGBTQI*-Personen, die sich politisch engagieren, wir brauchen sie in der Basisarbeit und in Führungspositionen und wir brauchen ihre Netzwerke und ihren Zusammenhalt. Den Männern* im Verband wird dadurch nichts weggenommen: Es wird vielmehr neuer Platz geschaffen für alle, die sich nun einmal nicht als Mann* identifizieren. Denn Männer* sind nicht qua Geschlecht geeigneter für die Politik, sie werden bislang einfach nur als politischer Standard wahrgenommen,und diesen gilt es neu zu denken.
Wir verpflichten uns daher…
…zu Gleichheit in der Form:
- Anträge, Artikel, Posts, Satzungen etc. konsequent zu gendern, es sei denn, es ist explizit nur ein Geschlecht gemeint. Damit soll erreicht werden, dass alle angesprochen werden und dass existierende Stereotypen nicht durch Wörter verstärkt werden (Bsp. Ärzte, Verkäuferinnen). Dies gilt vorrangig für die Schriftform und kann auch redaktionell geändert werden. Bei Redebeiträgen wird Nicht-Gendern nachgesehen, da es aus Unwissenheit oder Nervosität passieren kann.
- Politisches Engagement mit Familie und Alltag besser vereinbar zu machen. Das bedeutet mehr digitale Formate, Sitzungszeiten anzupassen, falls jemand Kinder/pflegebedürftige Angehörige betreuen will, Verständnis für Betreuungspausen oder auch mal Kindergeschrei, Kinderbetreuung auf größeren Veranstaltungen und Sitzungsorte, an denen ein separater Raum fürs Wickeln oder Stillen vorhanden ist.
- Best Practice zu fördern und sich daran zu orientieren: Formate und Strukturen, die bereits funktionieren, sollen nicht durch Neues ausgetauscht, sondern unterstützt und evtl. ausgeweitet werden. Sie sollen für andere AGs/KVs/Regionen als gut funktionierende und umsetzbare Beispiele dienen.
- Das Frauenempowerment beizubehalten und zu erweitern. Es sollen gezielt Angebote für Frauen* und LGBTQI*-Personen gemacht werden, um Möglichkeiten der Vernetzung und Unterstützung zu bieten.
…zu Gleichheit für alle Personen
- Intersektionalität im Feminismus mitzubehandeln. Intersektionale/Sich gegenseitig verschränkende und sich beeinflussende Diskriminierungsformen (aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe, Behinderung, Sexualität, Körper etc.) existieren und müssen im Verband aufhören, um echte Diversität zu garantieren. Feminismus ist nicht nur für cisgender weiße Frauen da, sondern für alle.
- Die Quotierung in Vorständen und Delegationen beizubehalten. In kleineren Kreisverbänden ist das aus Mitgliedermangel manchmal schwierig, aber wo es möglich ist, sollten in allen Vorständen und Delegationen 50% Frauen* und nb Personen vertreten sein. Damit erhalten diese eine Chance, trotz vorhandener Männer*netzwerke Verantwortung zu übernehmen, was nicht nur verbandsintern, sondern auch nach außen wirkt.
- Frauen* in Führungspositionen nicht mehr als „Quotenfrauen“ zu behandeln und ihre Themen nicht als „Frauenthemen“ abzutun. Männer* sind ja auch keine „Quotenmänner“, sie werden als Standard angesehen. Auf diesen Stand müssen wir auch für Frauen* und nb Personen kommen. Und „Frauenthemen“ gibt es nicht: Feminismus geht alle etwas an, ebenso Abtreibungen (körperliche Selbstbestimmung) und die gender pay gap (z.B. Bezahlung von Care-Arbeit).
…dazu, Gleichheit durch unser Verhalten zu leben:
- Nicht quotierte Delegationen nicht auszubuhen, Unwissen und unabsichtlichen Sexismus nicht von Grund auf zu verurteilen. Wir sind alle nicht als perfekte Feminist*innen geboren, sondern können stets dazulernen. Kreisverbände und Delegationen sollen nicht dadurch entmutigt werden, dass sie für ihren Mangel an aktiven Frauen* verurteilt werden; wer Anträge nicht gendert, kann darauf hingewiesen und unterstützt werden. Unser Feminismus sollte offen und unterstützend sein, kein exklusiver Club, in den man nur mit Aufnahmeprüfung kommt.
- Einander nicht ins Wort zu fallen, sondern zuzuhören. Die eigene Meinung ist aber nicht wichtiger oder dringender als die der anderen. Wer nur darauf wartet, seine Ansicht loszuwerden, hört den anderen auch nicht richtig zu, es wird aneinander vorbeigeredet und es findet kein echter Austausch statt – das müssen wir ändern. Abgesehen davon ist das Nicht-Unterbrechen schlicht ein Zeichen des Respekts vor dem Gegenüber.
- Sexistisches Verhalten nicht zu tolerieren und entsprechend zu sanktionieren. Wer sich wiederholt absichtlich sexistisch verhält oder andere belästigt, stört unsere Arbeit und das Miteinander. Deshalb wird, wer sich so verhält, aufgefordert, den Raum/die Veranstaltung zu verlassen, bis er*sie Einsicht zeigt und sich entschuldigt.
…zu Gleichheit als Grundeinstellung:
- Feminismus ernst zu nehmen. Da nicht nur 50% der Bevölkerung direkt davon profitieren, ist Feminismus kein Orchideenthema. Wir stecken alle in Geschlechterrollen fest, die uns ständig einschränken. Der kanadische Soziologe Michael Kaufman analysiert das Patriarchat als "Triade von Gewalt" - Gewalt gegen Frauen, gegen andere Männer und gegen sich selbst. Dieselben Mittel,
die zu männlichen Macht führten, seien "die Quelle enormer Angst, Isolation und Leiden auch für uns Männer". Das Patriarchat führt also zu Gewalt, aber auch zu Unzufriedenheit und Krankheit bei allen Geschlechtern. Feminismus hat für uns alle nur Vorteile. Er ist auch nicht losgelöst, sondern indirekt in den meisten politischen Feldern präsent (Gesundheit, Wirtschaft, Arbeit, Pflege, Umwelt, Bildung usw.). Die feministische Perspektive bereichert unser Verständnis komplexer Themen.
- Respekt und Empathie zu zeigen. Damit alle mitgenommen werden, gilt es, alle Identitäten zu akzeptieren. Wenn wir uns bemühen, andere Perspektiven zu verstehen, erweitern wir unseren eigenen Horizont und können ganzheitlich arbeiten.
- Die eigenen Vorurteile nicht zu ignorieren. Es gibt immer eine Sichtweise, die man nicht bedenkt. Zudem haben wir alle bis zu einem gewissen Grad Misogynie, Rassismus, Ableismus etc. internalisiert, ohne das zu wollen. Wir sollten uns daher regelmäßig selbst hinterfragen und offen dafür sein, unsere Grundsätze anzupassen.
- Das Prinzip von Step up – step back zu verinnerlichen. Das bedeutet: die eigene Meinung und das eigene Wissen zu einem Thema gerne teilen (step up), sich aber zurückzunehmen, wenn man wahrnimmt, dass eine andere Person mehr Wissen hat oder direkt von dem Thema betroffen ist (step back). Das ist nicht nur ein Zeichen des Respekts gegenüber der anderen Person, es macht inhaltliche Diskussionen auch effizienter und zielgerichteter.